Krieg (der Sterne)

Diejenigen, die mich kennen, wird es wohl nicht schockieren. Ich bin Science Fiction-Fan.

Von Star Wars, über Star Trek, Raumpatrouille Orion und Stargate bis hin zu Battlestar Galactica. Zum einen war ich schon als Kind fasziniert von der Kreativität und den verrückten Figuren in den Bars und Spelunken des Star Wars-Universums, zum anderen finde ich, dass die Utopie als ein Genre der politischen Philosophie viel zu wenig Beachtung erhält.

Deshalb haben mein Mann und ich uns dieses Silvester auch für einen Krieg-der-Sterne-Marathon entschieden, mit einem Kinobesuch als krönendem Abschluss.

Aber keine Angst – Spoiler Alarm ist unnötig, zumindest was Die letzten Jedi betrifft! Und in diesem BLOG-Eintrag geht es gar nicht vorrangig um die Letzten Jedi, sondern um Science Fiction, (Super-) Held(inn)en und Politik im Allgemeinen.

Zum Beispiel um Leia als starke Anführerin, die auch in den Letzten Jedi wieder mit von der Partie ist. Konservative Stimmen in den USA übten diesbezüglich auch gleich Kritik: der Film sei viel zu liberal, zu viel Frauenpower, wie auch die übrigen Filme aus der Disney-Schmiede. Um Teal’c zu zitieren (es muss ja nicht immer Sokrates sein): In der Tat.

Männer mit Angst vor starken Frauen werden weniger Freude an dem Film haben.

Allerdings war Krieg der Sterne auch von Anfang an Kampfplatz der Geschlechter – mitunter auf sehr sympathische und humorvolle Weise, wie ich finde.

Prinzessinnen und Jedi-Ritter, a long time ago in a galaxy far, far away, das klingt zwar sehr nach Märchen, laut George Lucas „ein Märchen ohne utopisches Versprechen. Das Drehbuch könnte von den Brüdern Grimm stammen“. Und tatsächlich: Die Prinzessin sitzt angekettet in der Höhle des Drachen und wartet auf den Ritter, der sie befreit. Die Szene kennen wir alle und das spärliche, Bikini-artige Outfit, das Carrie Fisher dort trägt, hat wie auch ihr weißes Gewand Kultstatus. Letzteres hat diesen vielleicht auch deshalb, weil es zwar hochgeschlossen ist, sich darunter aber nicht viel zu befinden scheint. Carrie Fisher erklärte dies später damit, dass laut Lucas der Weltraum Unterwäsche-freie Zone sei, da sich der Körper in der Schwerelosigkeit ausdehne, der BH jedoch nicht.

Da kommen einem viele Ungereimtheiten in den Kopf. Was für einen BH gilt, scheint nicht für den Gürtel von Han Solo aka Harrison Ford zu gelten. Ja, aus heutiger Sicht scheint einiges an den alten Star Wars-Filmen nicht frei von Sexismen zu sein. Die Prinzessin, die im Bikini neben dem Drachen angekettet sitzt. Das dürfte den konservativen Kritikern besser gefallen. In der Tat.

Aber Leia ist keineswegs die Prinzessin in Nöten, die gerettet werden muss. Sie weiß sich schon ganz gut selbst zu helfen. Sie sitzt gerade nicht passiv neben Jabba the Hutt und wartet, dass Han oder Luke sie von ihren Ketten befreien, nein, sobald sich die Gelegenheit bietet greift sie kurzer Hand diese Ketten und erwürgt ihren Peiniger selbst.

Dieses humorvolle Infragestellen von Geschlechterrollen unterscheidet sich von trockenen Abhandlungen über Mansplaining, dem „herablassenden Sprechen eines Mannes, der fälschlicherweise davon ausgeht, er wisse mehr über den Gesprächsgegenstand als die – meist weibliche – Person, mit der er spricht“. Prinzessin Leia verwies Mansplaining bereits 40 Jahre vor Erfindung dieses Ausdrucks in die Schranken. Während Wookiees und Menschenmänner schimpfen und jammern, weil sie unter Beschuss in der Falle sitzen, schießt sie einfach mal ein Loch in die Wand und fragt, worauf die Herren der Schöpfung denn warten.

Gut, die Sache mit der Müllpresse hätte dann besser laufen können… Auch ihr Versuch Han Solo aus den Fängen Jabba the Hutts zu befreien läuft nicht wie geplant, sondern endet mit der beschriebenen Bikini-Szene. Aber das trifft auf viele Aktionen ihrer männlichen Kollegen ebenso zu. Star Wars ist voller missglückter Versuche der Rebellenallianz.

Ein anderer Kritikpunkt ist, dass die alten Filme uns in eine Fantasiewelt entführt haben, uns eine Auszeit gegönnt haben. Märchen eben. Jetzt sei alles politisiert, politisch-überkorrekt oder belehrend: Star Wars wurde aus dem Reich der Wirklichkeitsflucht mitten in die Politik geworfen („pulling „Star Wars“ from the realm of escapism into politics“). Ja, anstrengend ist das mit der political correctness.

Die Politisierung der Filmkunst ist allerdings nur dann anstrengend und nervig, wenn etwas politisiert wird, was eigentlich gar nicht politisch ist. Die ersten neuen Filme von Episode I bis III ließen sich als „konservativ“ bezeichnen: sie glänzen nun wirklich nicht mit innovativen Charakteren, Jar Jar Binks wäre auch ohne rassistische Bezüge nervig genug und Padmé ist im Vergleich zu ihrer Tochter Leia alles andere als ein Vorbild für junge Frauen (von einer politischen Anführerin zu einer emotional abhängigen Ehefrau, die an ‚gebrochenem Herzen‘ stirbt).

Die Episoden VII und VIII schlagen eher ins Gegenteil. Ob Disney mit seinem Prinzip der ethnischen Vielfalt und zumindest einigen interessanten Frauenfiguren nun tatsächlich zu liberal ist, wie von Ted Cruz und anderen Konservativen kritisiert, oder ob es doch nur um Einschaltquoten geht, zumindest haben wir hier weniger Stereotype. Das ist erfrischend. Aber auch nicht schwer. Wir hatten ja sogar weniger Stereotype in den alten Filmen.

Der Vorwurf der Politisierung erscheint bei genauer Betrachtung allerdings an sich wenig überzeugend. Ob konservativ oder liberal, innovativ oder traditionell – politisch ist das doch irgendwie alles.

Und was die alten Filme betrifft, lässt sich eigentlich überhaupt nicht von einer Politisierung sprechen. Märchenelemente hin oder her – Wie unpolitisch kann denn ein Film namens KRIEG der Sterne sein, in dem es um Imperien, Kolonien und Rebellion geht und der in der Nach-Nixon-Ära und der Zeit des Kalten Kriegs entstand? Mal ehrlich? Die konservativen Kritiker, die die Politisierung der neuen Filme kritisieren und die alten so schätzen, weil sie uns in eine Fantasiewelt entführen, haben das wohl übersehen. Und auch, dass Utopien und Dystopien eben nicht einfach ein literarisches bzw. filmisches Genre sind wie Groschen-Romane und Rosamunde Pilcher-Filme, sondern auch ein Genre der politischen Philosophie. Von Platons Politeia, über Thomas Morus Utopia oder François Rabelais‘ Abtei von Thélemè bis hin zu George Orwells 1984 und Aldous Huxleys Schöner neuer Welt.

Und umgekehrt sind es gerade Kriegs- und Krisenzeiten, die diese Formate hervorbringen. Die goldene Superheld(inn)en-Ära von den 1930ern bis 1950 mit Superman, Captain Marvel und Wonder Woman fiel nicht von ungefähr mit dem zweiten Weltkrieg zusammen und die silberne Superheld(inn)en-Ära mit den Fantastic Four, X-Men und Spiderman war die des (Kalten) Krieges und der Studentenproteste.

Und das hat mich nachdenklich gemacht.

Denn als ich im Herbst Wonder Woman im Kino gesehen habe, wurden in der Werbung Trailer für weitere fünf Superheld(inn)en- und Science Fiction-Filme gezeigt, darunter War for the Planet of the Apes, Blade Runner 2049, Marvel’s Thor: Tag der Entscheidung und DCs Justice League. Und die Suche „Die besten [!] Kriegsfilme 2017“ landet 36 Treffer, darunter Die Frau des Zoodirektors oder Dunkirk, die historischen Stoff behandeln, aber mit The Wall, War Machine, Sand Castle oder Unfallen auch viele Filme, die beunruhigend aktuelle Kriegsgeschehen aufgreifen.

Wirklich erschreckend: Während ich die Trailer vor Wonder Woman, einem Klassiker des Golden Age of Comic Books, in einem Kino in Kyoto, Japan, ansah, berichteten die Nachrichten rund um die Uhr über die Raketentests Nordkoreas. Nicht a long time ago in a galaxy far, far away. Nein, hier und jetzt und gleich nebenan.

Wenn Superheld(inn)en und Kriegsfilme im weitesten Sinne eine Art Barometer für den Zustand unserer Welt sind, dann scheint es um diese Welt tatsächlich nicht gut zu stehen. Das Heidelberger Institut für internationale Konfliktforschung  zählte im Jahr 2015 insgesamt 226 gewaltsame Konflikte, davon 38 “highly violent“. Während ich zusah, wie Wonder Woman Pickelhauben platt macht, fragte ich mich unweigerlich: Befinden wir uns vielleicht gerade im Bronzenen Zeitalter der Superhelden und- heldinnen? Oder Schlimmer: wieder im Goldenen?

Daran musste ich wieder denken, als wir Rogue One während des Kinomarathons sahen. Das ist kein Märchen. Das ist Krieg im Paradies. Ein weißer Sandstrand, Palmen unter strahlend-blauem Himmel. Bewaffnete Rebellen, die eine Festung stürmen. Die neuen Filme sind rau, die Menschen sind schmutzig, sie bluten, leiden und sterben. Für die Rebellion. Das ist radikal. Und es ist echt. Es passiert ebenfalls hier und jetzt und gleich nebenan. Im Sudan, in Afghanistan, in Syrien. Unter blauem Himmel und Palmen.

Insbesondere Rogue One erschüttert mich immer wieder. Genauso wie das obige Bild, die „Apotheose des Kriegs“ von Wassili Wassiljewitsch Wereschtschagin.

Und das ist gut so. Denn auch dafür ist Kunst da. Und wer das nicht will, soll doch Rosamunde Pilcher anschauen!